Pressemitteilung -
„Bei der Würde des Menschen gibt es kein vielleicht“
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – unter diesem Motto stand in diesem Jahr der Gesamtkonvent der Diakonischen Gemeinschaft Hephata vom 8. bis 10. November auf dem Hephata-Stammgelände. Der öffentliche Thementag am Freitag zog auch viele Nicht-Mitglieder in die Hephata-Kirche in Schwalmstadt-Treysa. Allein 200 Menschen lauschten dem Vortrag von Prof. Dr. Ursula Birsl, Institut für Politikwissenschaft der Uni Marburg: „Die Demokratie und ihre Gegenbewegungen“.
Ohne Gegenwind startete der Thementag mit dem Eröffnungs-Gottesdienst in der Hephata-Kirche, den Stefan Zeiger, Geschäftsführer der Diakonischen Gemeinschaft Hephata, eröffnete. Die musikalische Begleitung lag beim Hephata-Posaunenchor unter der Leitung von Jonah Burger und beim Orgelspiel von Lothar Koch. Knapp 150 Menschen wollten dabei sein, als die neuen Mitglieder der Diakonischen Gemeinschaft aufgenommen wurden und Hephata-Vorstand und Vorsteher der Diakonischen Gemeinschaft, Pfarrer Maik Dietrich-Gibhardt, einen biblischen Impuls zum Thema „Würde ist kein Konjunktiv“ hielt.
Eröffnungs-Gottesdienst
„Würde im Sinne der Menschenwürde ist keine Möglichkeitsform der Existenz: Könnte sein, dass Du welche hast. Könnte aber auch nicht sein. Bei der Würde des Menschen gibt es kein eventuell oder vielleicht, keine Abstufungen. Würde ist gegeben und gilt. Allen, Ausnahmslos“, so Dietrich-Gibhardt. Doch leider würde die Würde des Menschen immer wieder aufs Neue angetastet und verletzt. „Jeden Tag, jede Stunde, auch jetzt gerade, während wir hier Gottesdienst feiern. Im so genannten Heiligen Land, im Iran, in Afghanistan, in der Ukraine und in Russland, an den Außengrenzen der Europäischen Union, dort, wo wie in den USA die Lüge und der Hass Wahlen gewinnen“, so Dietrich-Gibhardt.
Gerade deswegen gelte: „Würde ist kein Konjunktiv.“ Würde sei von Gott gegeben, jeder Mensch sei von Gott nach seinem Bild geschaffen. „Aus dieser voraussetzungslosen Liebe Gottes kann sich das Leben in aller Vielfalt gestalten, gleichwertig in all seinen Unterschiedlichkeiten.“ Dietrich-Gibhardt betonte zum Abschluss: „Das bedeutet, dass jede Form von Intoleranz, Nationalismus, Rassismus, Gewalt nicht allein ein Vergehen an Menschen ist, sondern ein Schlag ins Angesicht Gottes selbst. Und das wir aus unserem Glauben heraus nicht schweigen dürfen, nicht wegsehen, nicht mitlachen, nicht mitmachen dürfen, wenn Menschen in ihrer Würde und ihren Rechten angetastet werden.“
Zustimmung gab es dazu auch von den 18 Frauen und Männer, die während des Gottes-Dienstes als neue Mitglieder in die Diakonische Gemeinschaft Hephata aufgenommen wurden. Sie wurden zuvor von Referentin Kathrin Rühl im Gastjahr der Diakonischen Gemeinschaft zwölf Monate lang intensiv begleitet. Die neuen Mitglieder sind: Dorothea Baunacke (Kassel), Christoph Beier (Marburg), Beate Braner-Möhl (Michelstadt), Laura Brüchle (Schwalmstadt), Martin Burger (Frielendorf), Janine Frisch (Fulda), Carmen Heipel (Alsfeld), Simon Henze (Trendelburg), Carolin Birte Hoßbach (Oberaula), Julien Koch (Kassel), Mira Lingelbach (Niedermittlau), Ruth Lorey-Koch (Rotenburg), Martin-Friedrich Mehl (Marburg), Steffi Melzer (Hofgeismar), Larissa Isabell Prößler (Aschaffenburg), Christian Reifert (Biedenkopf), Monika Sarubbi (Guxhagen) und Prof. Dr. Gotlind Ulshöfer (Frankfurt).
Vortrag Prof. Dr. Ursula Birsl
An den Gottesdienst schloss sich der Vortrag „Die Demokratie und ihre Gegenbewegungen“ von Prof. Dr. Ursula Birsl aus Marburg an. Birsl betreibt Demokratieforschung am Institut für Politikwissenschaft der Philipps Universität Marburg. Sie warf den Blick auf Deutschland, die Europäische Union und die USA zum Thema autoritäre Bewegungen, stellte Thesen auf, warum die Demokratie so fragil sei und wagte den Blick in die Zukunft.
Dafür stellte Birsl unter anderem Modelle vor, mit denen man versuche zu messen, wie sich die Qualität von Demokratie weltweit verändere. Zum Beispiel seien dabei Faktoren wie Meinungsfreiheit oder die Garantie eines aktiven und passiven Wahlrechts wichtig. Hier zeige sich aus zuletzt 2022 analysierten Daten, dass im Kontext der Finanzkrise 2008 ost-europäische Demokratien wie Ungarn und Bulgarien ins Wanken gekommen seien. „Werden einmal antidemokratische Akteure gewählt, dauert es in der Regel zwei Jahre, bis wir das so messen können.“ Bei einer Befragung im März 2023 in der Europäischen Union, ob die Befragten mit der Funktionsweise der Demokratie in ihrem Land zufrieden seien, antworteten immerhin 62 Prozent der Deutschen, mit ja und nahmen damit europaweit einen Spitzenplatz ein. „Die Mehrheit aller in den 27 EU-Ländern Befragten war unzufrieden.“
Ein Vermessen der Neuen Rechte versuchte Birsl mit dem Bild von geozentrischen Kreisen, die sich um selbige drehten, angefangen von der AfD und Kampagnenorganisationen, über die neonazistische Kampfsportszene und die Siedler*innenbewegung, bis hin zu Bürgerwehren und Nachbarschaftswachen. „Die AfD ist ein Instrument der Neuen Rechten“, so Birsl, und beide würden völkisch-autoritärer auftreten. Zum Glück fehle der AfD eine charismatische Führungskraft. „Wenn sie so eine Führungspersönlichkeit haben, haben sie auch eine Projektionsfläche.“ Näher ging Birsl auf die so genannte Anastasia-Bewegung als eine Form der geopolitischen Landnahme ein: „Häufig sind das kleinere Kommunen, die nicht wissen, was da kommt. Da steht ein alter Gutshof leer, da kommen so nette Leute und wollen den kaufen.“ Und schon könne es zu einer autoritären Landnahme kommen. Bislang gäbe es nur Schätzungen, wie umfangreich diese bereits sei, finde sie aber vor allem im Harz, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.
Auch angesichts dessen, stelle sich die Frage, wann der Punkt erreicht sein, an dem die Demokratie in Deutschland kippe. „In den USA haben wir den Kipp-Punkt. Für Deutschland würde ich das nicht sagen. Wenn man sich die Analysen ansieht, haben wir ein demokratisches Potenzial in der Gesellschaft, auf das wir mehr gucken sollten.“ Birsl hält 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung für ansprechbar zum Thema Demokratie. Fragil mache diese aber, dass sie von ungeschriebenen demokratischen Gesetzen lebe. Diese basierten auf einer angenommenen Normalität, die sich verändere. Denn Demokratie sei ein Prozess und nicht statisch. Zudem sei die Demokratie die einzige gesellschaftliche und politische Ordnung, die gelernt werden müsse. „Eine Demokratie funktioniert in der Regel nicht von oben, sie muss vom Sozialen getragen sein.“ Dafür bedürfe es Demokratiebewegungen, die ein Demokratiesterben aufhalten könnten. „Die USA könnten der erste Testfall sein. In den USA werden wir unter Umständen das erste Mal beobachten können, dass eine der ältesten Demokratien zusammenbricht. Noch ist alles offen.“
Bildunterschrift Vortrag: Stefan Zeiger, Geschäftsführer der Diakonischen Gemeinschaft Hephata, Referentin Prof. Dr. Ursula Birsl und Hephata-Vorstand und Vorsteher der Diakonischen Gemeinschaft Hephata, Pfarrer Maik Dietrich-Gibhardt (von links). (Foto: Hephata-Archiv/Stefan Betzler)
Bildunterschrift Mitglieder: Die 18 neuen Mitglieder der Diakonischen Gemeinschaft Hephata mit Stefan Zeiger, Maik Dietrich-Gibhardt und anderen Vorstands-Mitgliedern der Diakonischen Gemeinschaft. (Foto: Hephata-Archiv/Stefan Betzler)
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Hephata Diakonie beschäftigt aktuell mehr als 3.000 Mitarbeitende. Sie arbeiten in unterschiedlichen Berufsfeldern, sind gut qualifiziert und entwickeln die Leistungsangebote zukunftsorientiert weiter. Diakone und Diakoninnen und Interessierte organisieren sich in der Diakonischen Gemeinschaft Hephata.
Hephata Diakonie ist in Hessen und angrenzenden Bundesländern tätig. Der Sitz unseres Unternehmens ist seit Beginn in Schwalmstadt-Treysa.